27.5.2025
Generikabarometer

Kleine Preise, große Last: EU-Abwasserrichtlinie trifft Generikaindustrie hart

Wien, am 27.05.2025 – Der Österreichische Generikaverband warnt: Die novellierte Kommunale Abwasserrichtlinie (KARL) bedroht die Verfügbarkeit leistbarer Arzneimittel in Europa – mit gravierenden Folgen für Patientinnen und Patienten, Gesundheitssysteme und die Versorgungssicherheit.

Mit der neuen Kommunalen Abwasserrichtlinie (KARL) verfolgt die Europäische Union ein wichtiges Ziel: die Reduktion von Mikroschadstoffen wie Arzneimittelrückständen im Abwasser. Geplant ist eine verpflichtende vierte Reinigungsstufe in großen Kläranlagen – eine Maßnahme, die aus Umweltsicht grundsätzlich zu begrüßen ist. Problematisch ist jedoch die geplante Finanzierung über eine erweiterte Herstellerverantwortung (EPR): Mindestens 80 % der Kosten sollen künftig von Herstellern von Humanarzneimitteln und Kosmetika getragen werden.

Unverhältnismäßige Belastung für Generikahersteller

Besonders hart trifft diese Regelung die Generikaindustrie, sie soll rund 60 % der entstehenden Kosten schultern. Das liegt daran, dass die Abgabe sich u.a. am Absatzvolumen orientiert – und Generika machen 70 % aller in Europa abgegebenen Arzneimittel aus. Gleichzeitig sind sie besonders preisgünstig: Fast 60 % aller Generika-Packungen liegt unter der Rezeptgebühr von 7,55 Euro, der durchschnittliche Packungspreis beträgt in Österreich 2,83 Euro.

„Die Umweltabgabe würde für viele bewährte Präparate ein Mehrfaches der bestehenden Margen ausmachen. Ein Rückzug aus dem Markt wäre die logische Konsequenz – mit direkten Auswirkungen auf die Versorgung von Patientinnen und Patienten“, warnt Wolfgang Andiel, Präsident des Österreichischen Generikaverbandes. Besonders alarmierend: 90 % der kritischen Medikamente in Europa sind Generika.

Versorgungslücken und höhere Kosten für das System

Die Auswirkungen wären gravierend: Die medikamentöse Grundversorgung wäre nicht mehr gesichert. Schon heute zeigen Modellrechnungen aus den Niederlanden, wie stark sich die EPR-Kosten auf einzelne Medikamente auswirken könnten. Bei Metformin, einem Standardpräparat zur Behandlung von Diabetes, wären Kostensteigerungen von bis zu 875 % zu erwarten, bei einem Wirkstoff, der in den Niederlanden bis zu 50 % aller Diabetes-Patientinnen und Patienten verschrieben wird. In Österreich liegt der Generikaanteil bei Metformin bei 98 %, die Versorgung erfolgt hier nahezu ausschließlich über günstige generische Präparate.

Umweltziele ja – aber mit Augenmaß

Die EU-Kommission beziffert die Kosten für die zusätzliche Reinigungsstufe auf jährlich 1,18 Milliarden Euro. Einschätzungen des deutschen Umweltbundesamts und des europäischen Dachverbands EurEau gehen jedoch von deutlich höheren Beträgen von fünf bzw. 11 Milliarden Euro jährlich aus. Die Spannbreite der Schätzungen macht deutlich, wie wenig belastbar die bisherigen Grundlagen der Richtlinie sind.

Der Österreichische Generikaverband fordert daher eine ausgewogene Lösung, die sowohl Umwelt- als auch Gesundheitsziele berücksichtigt. Ein solidarisches Finanzierungsmodell,wie es etwa in der Schweiz praktiziert wird, zeigt, dass es auch anders geht: Dort werden die Kosten der Abwasseraufbereitung fair auf alle Haushalte verteilt, denn letztlich nutzt jeder Bürger und jede Bürgerin Medikamente, deren Rückstände ins Abwasser gelangen.

Aufruf an die Politik

Die EU-Mitgliedstaaten haben bis Mitte Juni die Möglichkeit, sich der von Polen eingebrachten Klage gegen die Richtlinie anzuschließen. Der Österreichische Generikaverband appelliert an die Bundesregierung, dieses Zeitfenster zu nutzen und sich klar für die Sicherung der Arzneimittelversorgung einzusetzen.

„Sauberes Wasser ist wichtig – aber nicht auf Kosten der Gesundheitsversorgung. Es braucht faire und tragfähige Lösungen. Die aktuelle Ausgestaltung von KARL ist nicht zu Ende gedacht und bringt das europäische Gesundheitssystem aus dem Gleichgewicht“, so Andiel.