Die Europäische Union will mit dem Critical Medicines Act die Versorgung mit kritischen Arzneimitteln langfristig stabilisieren. Der Entwurf setzt Anreize für mehr Produktion, stabilere Lieferketten und eine geringere Abhängigkeit von Drittstaaten. Der Österreichische Generikaverband begrüßt dieses Ziel, hält aber fest: Das greift zu kurz. Es braucht angemessene Preise, planbare und stabile Rahmenbedingungen für langfristige Investitionen in die Versorgungssicherheit sowie europäisch koordinierte Maßnahmen, um nationale Alleingänge zu vermeiden, die Engpässe verschärfen. In Österreich sind aktuell rund 500 Arzneimittel nicht oder nur eingeschränkt verfügbar. Besonders während der Erkältungs- und Grippesaison ist verlässliche Versorgungentscheidend.
Generika sichern die Grundversorgung mit wichtigen Medikamenten. Doch der enorme Preisdruck, steigende Produktionskosten sowie zusätzliche kostenintensive regulatorische Anforderungen gefährden diese zunehmend. Neun von zehn auf EU-Ebene als kritisch eingestufte Arzneimittel sind Generika. 46 % der kritischen Generika stammen von nur einem Hersteller, 83 % sind von einem dominanten Anbieter abhängig. Etwa 80 %der kritischen Generika weisen ein hohes Risiko für Lieferunterbrechungen auf.
Europa ist bei Wirkstoffen importabhängig. „Die Unterstützung europäischer Wirkstoffproduktion ist wichtig, doch solange Beschaffung und Erstattung das Billigstpreisprinzip anwenden, werden teurer produzierte EU-Wirkstoffe nicht abgenommen“, so Dr. Wolfgang Andiel, Präsident des Österreichischen Generikaverbands. „Der Preisdruck drängt Generikahersteller aus dem Markt. Wir begrüßen, dass der Critical Medicines Act Versorgungskriterien in der Beschaffung vorsieht, doch ohne verbindliche Berücksichtigung in Vergabeentscheidungen und ohne angemessene Preise sowie planbare Rahmenbedingungen in der Erstattung bleibt die Wirkung begrenzt."
Nationale Alleingänge bei Lagerpflichten führen zu Überbeständen, Verteilungskonflikten und zur Vernichtung von Beständen nach Ablauf des Verfalldatums. Laut einer Mitgliederbefragung von Medicines for Europe mussten 70 % der größten europäischen Generikahersteller bereits Arzneimittel vernichten – ausgelöst durch unkoordinierte nationale Lagerpflichten. Das bindet Ressourcen und verschärft Engpässe andernorts. 50 %der Hersteller sahen sich aufgrund unpraktikabler Lagerauflagen gezwungen, Produkte vom Markt zu nehmen.
Auch auf EU-Ebene werden nationale Pflichtlager kritisch bewertet: Der Entwurf des Critical Medicines Act verlangt Verhältnismäßigkeit, Transparenz und Solidarität, um Belastungen des Binnenmarkts zu vermeiden. „Unkoordinierte Pflichtlager erzeugen Vernichtung statt Verfügbarkeit. Wir brauchen EU-weit abgestimmte, vergütete und klar begrenzte Vorräte. Nur dann steigt die Resilienz, ohne neue Engpässe an anderer Stelle zu erzeugen“, betont Andiel.
Der Österreichische Generikaverband fordert, den Critical Medicines Act konsequent an der Versorgungssicherheit auszurichten: Versorgungskriterien verbindlich berücksichtigen, Anbietervielfalt sichern sowie Lagerpflichten EU-weit koordinieren und vergüten. Dafür braucht es angemessene Preise und planbare Rahmenbedingungen. Europäische Koordination muss nationale Alleingänge begrenzen und den Binnenmarkt schützen.
Der Österreichische Generikaverband ist ein Zusammenschluss von elf Generika-Produzenten, die sich zur optimalen Versorgung der österreichischen Patientinnen und Patienten mit hochwertigen, preiswerten Arzneimitteln bekennen. Das Ziel unseres Verbands ist einerseits, die Öffentlichkeit über die Vorteile von Generika zu informieren und andererseits aktuelle gesundheitspolitische Debatten mitzugestalten. Unsere Mitglieder sind Accord Healthcare GmbH, Bluefish Pharma GmbH, Dermapharm GmbH, Devatis GmbH, Fresenius Kabi Austria GmbH, G. L. Pharma GmbH, Genericon Pharma Gesellschaft m. b. H., ratiopharm Arzneimittel VertriebsGmbH, Sandoz GmbH, Stada GmbH und ViatrisAustria GmbH.